Innerhalb der letzten drei Monate oder so habe ich mich Stück für Stück durch James Kalbachs „Designing Web Navigation“ gearbeitet. Wobei: Gearbeitet ist das falsche Wort, bis auf ein paar für meine Begriffe zu allgemein gehaltene Passagen bringt das Buch präzise auf den Punkt, worin das Geheimnis erfolgreichen Navigationsdesigns steckt – und liest sich demzufolge auch entsprechend spannend.

An einigen Stellen finden sich bei meinem Exemplar mittlerweile deutliche Ausrufezeichen am Rand. Im folgenden einige Beispiele aus einem der interessantesten Kapitel (Kapitel 2 „Understanding Navigation“):

„People navigation in cycle of prediction, reorientation, and habuation“. (Deutsch: Menschen navigieren in einem Zyklus von Vorhersage, Neuorientierung und Gewöhnung.)

So weit vorn an der Stelle im Buch war mir das noch gar nicht aufgefallen, aber: Dieser Prozess beschreibt genau das, was wir permanent beim Surfen im Netz tun: Wir bauen eine Erwartungshaltung auf, was sich hinter einem Link verbirgt, überprüfen dabei gleichzeitig im Kopf, ob uns dieser Inhalt näher dem Ziel bringen könnte, klicken ggf. auf den Link und fangen dann auf der Zielseite wieder von vorn an, uns zu orientieren. D.h.: 1. Je selbstbeschreibungsfähiger die Links sind, desto einfacher die Vorhersage und desto einfacher die Benutzung der Website, und je aufgeräumter die dahinterliegende Seite, desto einfacher die Neuorientierung. Zwei ganz elementare Dinge, wie wir die User Experience _deutlich_ verbessern können!

Dieser Sachverhalt bezieht sich jedoch nicht nur auf den Inhalt: Die Form der Information ist dabei von mindestens derselben Bedeutung. Kurz dahinter geht es weiter mit:

„With shape, the form in which we experience information becomes an important navigational element itself. […] People naturally seek order and patterns when they come in contact with online information. This helps them predict, reorient and habituate in the navigation process.“ (Deutsch: Mit der Form wird die Gestalt, in der wir Information erleben, selbst ein wichtiges Navigationselement. […] Menschen suchen von Natur aus Ordnung und Muster, wenn sie mit Onlineinformationen in Kontakt kommen. Dies hilft Ihnen, während der Navigation Erwartungen aufzubauen, sich zu orientieren und sich an das System zu gewöhnen.)

James liefert dazu ein sehr schönes Beispiel: Wir alle wissen, wie Einträge in einem Telefonbuch aussehen. Um den Inhalt zu verschleiern, wurden in einem Experiment einfach alle Einträge als Fließtext hintereinander dargestellt und der Text damit seiner natürlichen Form beraubt. Zusätzlich wurde in einer zweiten Version die Form belassen, aber alle Buchstaben durch „x“ und alle Zahlen durch „9“ ersetzt. Obwohl beide Versionen keine originalen Telefonbucheinträge darstellten, erkannten die Probanten die Inhalte der zweiten Version mit intakt belassener Form doppelt so schnell als Telefonbucheinträge wie in der ersten, als Fließtext dargestellten Form. Bevor wir lesen, machen wir uns also anhand der Form ein Bild über den Inhalt eines Textes. D.h.: Gutes Design muss die Erwartungshaltung der Nutzer erfüllen – auch in der optischen Form.

Und dann, zum Abschluss des Kapitels: „Designing Navigation is largely about increasing and maintaining confidence as users move through the site.“ (Deutsch: „Die Gestaltung von Navigation läuft im Wesentlichen darauf hinaus, das Selbstvertrauen der Nutzer zu stärken und zu halten, während sie sich durch die Seite bewegen.“

Ein sehr schönes Fazit: Unsere Aufgabe muss sein, mit den Namen der Links realistische und den Bedürfnissen des Nutzers entsprechende Erwartungshaltungen aufzubauen und auf der Zielseite das Versprechen einlösen. Schaffen wir das als Informationsarchitekten nicht, ist der Nutzer irgendwann desorientiert, desinteressiert und damit verloren. Diesen GAU gilt es zu vermeiden, wenn wir die durch Marketingmaßnahmen in Strömen angelockten Besucher auf der Webseite zu Kunden konvertieren wollen.

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie Sie Ihre Nutzer einfacher, verständlicher und intuitiver zu Ziel führen können?