Wer sich mit professioneller Kommunikation beschäftigt, stößt sehr schnell auf diverse Wahrnehmungs- und Kommunikationstheorien zur Aufnahme und zum Verständnis von Informationen durch Menschen. Kein Wunder – wer verständlich kommunizieren will, muss die dahinterliegenden Mechanismen der menschlichen Informationsbearbeitung beachten. Der Ausdruck „verständliche Kommunikation“ ist dabei fast schon ein Pleonasmus; Kommunikation sollte per se verständlich sein. Ich setze ich als Grundvoraussetzung, dass jede Kommunikation zwischen Menschen auf Verständigung aus ist – sei es im Geschäftlichen, um aus Missverständnissen resultierende Fehler zu vermeiden, oder sei es im Privaten, damit unsere Worte Sinn ergeben und wir unsere sozialen Grundbedürfnisse erfüllen. Falls jemand ein Gegenbeispiel kennt, dann bitte ich um Rückmeldung. Für das Verständnis des nachfolgenden Textes gilt jedoch die Grundannahme, dass Kommunikation vorherrschend zum Zwecke der Verständnisförderung betrieben wird.

Besonders wichtig ist dieser Grundgedanke für monologische Kommunikationsformen wie Präsentationen und Webseiten. Die Herausforderung ist hierbei, dass wir im Vergleich zu einem normalen Gespräch unsere Aussage und unseren Argumentationsfluss eben nicht während der Kommunikation flexibel auf das Gegenüber anpassen können. Eine Präsentation ist kein Beratungsgespräch, bei dem wir im permanenten Frage- und Antwortspiel das Verständnis des Gegenübers fördern. In der Präsentation müssen wir die Kommunikation sorgsam so planen, dass unsere Zuhörer uns jederzeit folgen können, um die Zuhörer nicht zu verlieren. Grund genug, sich einmal genauer anzuschauen, wie Menschen verstehen.

Verstehen ist an sich kein wahnsinnig komplizierter Begriff bzw. Prozess. Verstehen bedeutet lediglich, Zusammenhänge zwischen verschiedenen Sachverhalten zu erfassen [1]. Einige Sachverhalte sind sehr einfach zu verstehen, weil sehr wenig Zusammenhänge bestehen. 1+1=2, und demzufolge 2+1=3 usw. usf. Wir kennen das Konzept der Zahlen und können darauf basierend das Konzept der einfach Addition problemlos verstehen. Andere Sachverhalte sind schwieriger zu verstehen, weil die Zusammenhänge vielzähliger und unübersichtlicher sind: wie sich zum Beispiel die Erderwärmung auf die Gesellschaft auswirkt, kann man als Laie nur schwer abschätzen. Dafür stecken in dem System einfach zu viel Zusammenhänge, die wir nicht kennen. Je mehr unbekannte Zusammenhänge exisitieren, desto schwerer fällt das Verständnis. Dies ist die eine Hürde des Verständnisses.

Die andere Hürde des Verständnisses ist das menschliche Aufnahmevermögen: wir können nur eine bestimmte Anzahl neuer Informationen gleichzeitig verarbeiten. Strömen mehr Informationen auf uns ein, als wir gleichzeitig verarbeiten können, fällt ein Teil mangels Verarbeitungskapazität hintenüber. Je mehr Informationen hintenüber fallen, desto weniger Zusammenhänge erschließen sich. Irgendwann verlieren wird dann die Übersicht und uns kommt der Gesamtzusammenhang abhanden. Uns fehlt das Verständnis, weil wir die Zusammenhänge nicht mehr überblicken.

Zusammenhänge herzustellen ist ein mühsamer Prozess für unser Gehirn. So mühselig, dass er zumeist unsere volle Konzentration fordert. Wenn wir zum Beispiel das Autofahren erlernen, ist das mühsam – alle Regeln bedenken, alles in der richtigen Reihenfolge bedienen, möglichst gleichzeitig den Anweisungen des Fahrlehrers Folge leisten – echte Schwerstarbeit. Die Belastung ist nicht nur auf rein motorische Lernaufgaben beschränkt. Auch kognitive Leistungen wie das Erlernen einer neuen Sprache erfordern die Verarbeitung einer großen Menge unbekannter Informationen. Zuhörern einer Präsentation geht es meist nicht anders – auch auf sie prasseln viele neue Informationen ein. Das Thema wird dann zu komplex, wenn die Menge der neuen Informationen die Verarbeitungskapazität übersteigt.

Nimmt man die Verarbeitungskapazität als einzige beschränkende Verständnisgröße, müssten alle Menschen alle Sachverhalte mehr oder minder gleich schnell verstehen – weil die Kapazität vermutlich als biologische Beschränkung unter allen Individuen relativ gleichverteilt ist. Trotzdem verstehen – je nach Sachverhalt – manche Menschen schneller, andere langsamer. Experten können selbst komplexe Sachverhalte recht problemlos durchschauen, während Laien schnell überfordert sind.

Hier wird es interessant: Grund dessen, warum einige schneller als andere verstehen, sind im Langzeitgedächnis verankerte Schemen. Diese Schemen sind in der Erfahrung abgelegte Sachverhalte/Informationen, die bereits entsprechend ihrer voraussichtlichen Nutzung kategorisiert sind [1]. Die Addition von oben ist zum Beispiel ein solches Schema: Nachdem wir es einmal gelernt haben, dass Addition die Zahl in der Summe erhöht, fällt uns das Rechnen viel leichter. Wir müssen nicht mehr überlegen, wir brauchen die Information nur noch abrufen. Deswegen funktioniert das Errechnen der Gleichung viel schneller, als wir damals zum Erlernen gebraucht haben: effektiv müssen wir nur noch den fertigen Zusammenhang zwischen Zahlen und Addition abrufen.

Expertenwissen ist demnach nicht viel mehr als eine große Menge abgelegter Schemen zu einem spezifischen Fachgebiet [1]. Diese Schemen ermöglichen es dem Experten, für komplexe Sachverhalte schnellere und sicherere Entscheidung zu treffen. Sie kennen bereits die meisten Wirkzusammenhänge und müssen daher nicht lange überlegen. Sie können zur Entscheidungsfindung bestimmte Muster anhand der gespeicherten Schemen wiedererkennen und demzufolge schneller und zuverlässiger zu validen Entscheidungen gelangen, als wenn sie jede einzelne Entscheidung auf Konsequenzen abwägen müssten.

Dieses Wissen um die Informationsaufnahme und -verarbeitung des Menschen kann uns bei der Vermittlung von Sachverhalten wesentlich weiterhelfen. Wir versuchen in Präsentation und Webseiten alles, damit uns der Zuhörer bzw. Leser folgen kann. Um auch komplexe Zusammenhänge verständlich zu erläutern, gilt es also zwei Dinge zu beachten: jeweils immer nur einen einzelnen neuen Sachverhalt gleichzeitig vortragen, damit die Verarbeitungskapazität nicht überlastet wird. Und im selben Moment die meisten Zusammenhänge (egal ob neu oder bekannt für die Zuhörer) in bekannten Analogien vorstellen – damit unsere Zuhörer neues nicht durchdenken, sondern nur noch bestehende Muster wiedererkennen müssen. Zusammenhänge werden damit schneller erkannt und der Gesamtzusammenhang schneller erschlossen. Als Lohn winken uns Ruhm und Ehre: Menschen lieben es, wenn sie durch unsere Präsentationen oder Webseiten ihre eigene Kompetenz verbessern können. Ich wage zu sagen, dass bei ausreichend professioneller Arbeit dieser Ansatz zu einer unschätzbaren Dienstleistung werden kann. Willkommen in der Wissensgesellschaft.

[1] John Sweller: Visualisation and Instructional Design. University of South Wales